«Vanitas»– eine Bildserie zeigt die bittersüsse Zerbrechlichkeit des Lebens
Eine Rauchwolke, dahinter ein Gesicht umspielt von Licht und Schatten, ein paar Zweige mit weissen Blüten. Verschränkte Finger, ein tätowierter Rücken. Das ist «Vanitas», ein Kunstfotografie-Projekt, das Anfang 2020 entstand.
Das Projekt «Vanitas» lebt von Gegensätzen, und diese ziehen sich bekanntlich an: Licht und Schatten, Leben und Tod. Stark, aber zerbrechlich. Und allem voran: die Vergänglichkeit des Lebens.
Als Inspiration dienten alte Künstler, die sich bereits vor über hundert Jahren mit dem Thema <<Vanitas>> auseinander gesetzt haben.
Ein Wechselspiel zwischen Leben und Tod
Nicht ohne Grund trägt das Projekt den Namen «Vanitas». Der lateinische Begriff bedeutet Vergeblichkeit oder Nichtigkeit und beschreibt die Vergänglichkeit des Lebens. Damit verwandt ist auch der Ausdruck «Memento mori», der uns daran erinnert, dass wir Menschen sterblich sind.
Dieses Konzept war der Ursprung einer künstlerischen Tradition, die im 17. Jahrhundert begann und bis heute immer wieder aufkommt, so auch im Projekt «Vanitas». Was erstmal eher düster und melancholisch klingt, ist in Wahrheit vielmehr ein Aufruf, jeden Tag das Leben zu geniessen.
Im Zentrum von «Vanitas» stehen lebendige Körper, doch das mondähnliche Licht verweist auf die Vergänglichkeit des Tages und somit des Lebens. Die Schatten auf den Gesichtern der Models, das Lichtspiel zwischen hell und dunkel, verstärken diese unheimliche Atmosphäre.
Auch wenn Accessoires wie Totenköpfe oder Kruzifixe vielleicht wie eine Verherrlichung des Todes wirken, ist «Vanitas» doch vielmehr ein Liebesbrief ans Leben. Denn ohne Schatten kein Licht, ohne Tod kein Leben.
Simple Technik, klare Ästhetik
Aus technischer Sicht ist das Projekt eher simpel gehalten. Das wichtigste Element ist das Licht. Den mondartigen Schein erzeugt eine Elinchrom-Leuchte mit Stoffdiffusor. Den grauschwarzen Hintergrund habe ich selbst gemalt – so ist man eben manchmal nicht nur Fotografin, sondern auch Bastelfee.
Damit entstand eine ästhetisch einheitliche Serie mit starken Kontrasten sowie einer schmalen Farbpalette. Einzig die Tattoos der Models und manche Accessoires setzen hier und da einen gut gewählten Farbtupfer.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Bildern liegen in der Individualität der Models. Jedes einzelne von ihnen ist wunderschön – auch ohne Makeup und Photoshop.
Come As You Are
Die freiwilligen Models zeigen sich hüllenlos und ohne Makeup. Das macht sie verletzlich, aber auch stark. Sie fühlen sich wohl in ihrer Haut, egal ob tätowiert, behaart oder voller Sommersprossen.
In diesem Sinne ist «Vanitas» viel mehr als eine Sammlung ästhetischer Bilder. Das Projekt ist ein Statement, ein Beweis der Schönheit jedes menschlichen Körpers – und damit wahre Body Positivity: Die sinnliche Weiblichkeit (und auch Männlichkeit) der Models lässt keine Sexualisierung zu.
Die Bilder wurden weder retuschiert noch anderweitig verfremdet. Der Grund, warum jedes einzelne Model so wunderschön aussieht, ist viel einfacher: Das Geheimnis liegt in den sorgfältig ausgewählten Posen und Accessoires sowie dem richtigen Licht.
Die Herausforderung in der Portraitfotografie
Auch das nötige Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Models spielt eine wichtige Rolle. Die meisten hatten davor noch nie ein Shooting gemacht. Wie also bringt man ein unerfahrenes Model dazu, seine Scham abzulegen und sich frei vor der Kamera zu bewegen? Dies ist eine der grössten Herausforderungen in der Studiofotografie, insbesondere wenn die Models nackt sind.
Das Nacktsein an sich sollte beim Shooting nicht im Vordergrund stehen. Für das Model soll sich die Situation normal anfühlen und nicht so, als wäre seine Nacktheit etwas «Falsches» oder «Seltsames». Hier kommt bereits ein wichtiger Grundpfeiler des Projekts zum Vorschein, bevor überhaupt ein erstes Bild entstanden ist: Jeder Körper ist schön, jeder Körper ist okay, so wie er ist. Den einen normalen Körper gibt es nicht.
Einige der Models sind grossflächig tätowiert. Sie tragen die Tattoos wie ein Kleidungsstück, zeigen, wie sie Teil ihres Körpers geworden sind. Tattoos sind ein bleibender Schmuck auf einem vergänglichen Körper, ein Stück Unendlichkeit in einem endlichen Leben.
Die Fotografien stehen unter Datenschutz ©Andrea Wullimann
Anfragen bitte um schriftliche Kontaktaufnahme hello@lichtartfotografie.ch